Sleaze! Wenn die Support Acts das wahre Highlight sind
Dragonforce mit „The Power Within“-World Tour in Erfurt
02.11.2012 [db] Ich dachte, den Auftritt von ACCEPT könne so schnell keine Band toppen. Weit gefehlt. Am 02.November sollte ich im HsD, Erfurt, eines besseren belehrt werden. Mehr Posing geht immer. Die britische Metalband Dragonforce ist auf Welttournee und hat zwei grandiose Support Acts dabei. Allein derentwegen lohnt sich ein Ticket für die „The Power Within“-Tour. Ein paar hundert Besucher haben sich im ehemaligen Gewerkschaftshaus zusammengefunden, um gleich dreimal exorbitant überspitzten Metal zu genießen. Schon beim Namen der ersten Band es Abends, sollte man – selbst als Unwissender- die Ohren spitzen: KISSIN‘ DYNAMITE. Das ist eine Band, die wahrlich hält was sie verspricht. Ohne Kompromisse. So begeistert habe ich mich schon lange nicht mehr für eine Metalband. Die fünf Herrschaften muss man live unbedingt einmal erlebt haben.
Steffen, Jim, Hannes, Ande und Andi – zusammen: Kissin‘ Dynamite – sind ein Paradebeispiel an Reizüberflutung. Da weiß man nicht, wo man zuerst hinschauen bzw. hinhören soll. Das ist fast zu viel auf einmal. Die Jungs haben auf unglaublich charmante Weise irgendwann „den Bus verpasst“ und stecken jetzt in einem Zeitloch fest. Der 80er-Jahre Look ist grandios und perfekt bis bis ins kleinste Detail: wild gemusterte Leggings, Tücher, Hosen mit Aufnähern, extrem toupierte Haare und die definitiv richtige Attitüde. Die Band spielt nicht nur symphonisch und pathetisch angehauchten Posermetal. Das Gesamtpacket wird gelebt. Und das macht einen unheimlichen Spaß! Frontmann Hannes ist das, was man gemeinhin als „Rampensau“ bezeichnen kann und sollte. Der Typ wedelt auf der Bühne rum, springt, schmeisst die Arme in die Luft. Ein Animateur könnte es nicht besser. Und das Publikum ließ sich mitreißen, von der ersten Sekunde an. So eine Vorband wünscht man sich. Keine Langeweile, kein rumstehen und auf die eigentliche Band des Abends warten. Die Show lief auf Hochtouren und war viel zu schnell zu Ende. Aber es wartete ein weiterer Support hinter der Bühne.
HUNTRESS sind weniger Spaßmetal oder auf pure Unterhaltung aus wie Kissin‘ Dynamite. Die Kalifornier gehen es düsterer an und verlegen sich eher in die Ecke des Black Metal. Sängerin Jill Janus hat ein gut geöltes Stimmchen, das die Stücke der Band durch die Zeit trägt. Sie kreischt, schreit, flüstert und singt. Wirbelt in ihrem Umhang über die Bühne, greift mit ihren rot belackten Fingern in die Ferne und vezerrt das hübsche Gesicht zu einer okkulten Maske. Immer kraftvoll, immer laut und drückend. Auch Huntress sind das Ticket wert. Die Amerikaner würden auch perfekt in ein Line Up mit The Devil’s Blood oder gar Darkened Nocturn Slaugthercult – allesamt okkult angehauchte Black Metal Bands, mit Frontfrauen bestückt, die andere Bands mit männlichem Sänger stark erblassen lassen.
Die eigentliche Band des Abends – Dragonforce – spielte nach zwei Vorbands dann leider auch erst als, zumindest für mich, der tote Punkt erreicht war. Die Umbaupause zog sich elend in die Länge. Und was dann kam, war – gemessen an den Leistungen der Support Acts – nicht so herausragend oder begeisternd wie ich es mir erhofft hatte. Die Multi Kulti-Power Metaler aus London mögen in ihrer Heimat, dank der musikalischen Vorherrschaft von Künstlern wie Adele, James Blunt, Coldplay oder Arctic Monkeys, absolute Exoten sein. Hierzulande, wo man dem Metal von jeher mehr zugeneigt ist, befinden sie sich in der wohlklingenden Gesellschaft von Bands wie Helloween, Blind Guardian, Powerwolf oder Grave Digger. Nichtsdestotrotz harrten ihre Anhänger bei der langen Wartezeit geduldig aus, hingen leicht ermattet über den Wellenbrechern oder lehnten an einer der Säulen oder Wände des ehemaligen Gewerkschaftshauses, um die Müdigkeit dann kurz nach 23Uhr und mit dem Intro von Dragonforce abzuschütteln. Die Party ging in die dritte Runde. Und die Zeitreise, die Dragonforce optisch auch weiterführten, ging langsam zu Ende.